Wirtschaft im Stress-Test
Die Tage in Zeiten des COVID19, umgangssprachlich auch Corona-Virus genannt, sind geprägt von täglich neuen Warnungen, drückenden Nachrichten, Verboten, gut gemeinten Ratschlägen und vielem mehr. In dieser Gemengelage aus Nachrichten, Sondersendungen, Talkshows, Artikeln, täglicher Selbsterfahrung, Telefongesprächen mit Freund*innen, Verwandten sowie Kolleg*innen entsteht vor allem eines: Große Verunsicherung.
Wie reagiert die Wirtschaft darauf? Äußerungen in der Öffentlichkeit von Entscheider*innen sind selten zu finden. Jüngst verkündeten große Werke von Audi, VW oder Daimler den Produktionsstopp. Die Rufe nach Hilfsfonds, Hilfsprogrammen und Unterstützung, egal welcher Natur, werden lauter. Lediglich Unternehmen wie Lebensmittel- und Onlinehandel haben gute Nachrichten zu vermelden. Doch wie soll man als Unternehmen in der Service- und Dienstleistungsbranche damit umgehen? Ist investieren das richtige Mittel? Was ist sinnvoll? Was können wir tun, um gemeinsam mit unseren Partnern aus Industrie und Produktion die Krise gut zu überstehen?
Im Dschungel all dieser Fragen, hat Oliver Eggenstein (Senior Management Berater der Synväx GmbH) mögliche Maßnahmenpakete und Tipps für unterschiedliche Unternehmensbereiche zusammengetragen. Diese sind als Vorschläge sowie Inspiration anzusehen und unterliegen entsprechend den vorherrschenden Sicherheitsempfehlungen. Eggenstein betont: An erster Stelle muss immer die Gesundheit und das Wohlergehen des Menschen stehen. Jedes Risiko, das zu einer Infektion führen kann, muss vermieden werden!
Vertrieb
Viele Dienstleistungsunternehmen haben einen gut ausgebauten Vertrieb. Doch wie soll sich dieser nun verhalten? Kundenseitig wird hier nachvollziehbarer Weise als erstes gebremst. Vor allem dann, wenn die Priorität der geplanten Dienstleistung als mittel bis niedrig eingeschätzt wird oder entsprechende Projekte an Dringlichkeit verlieren. Daher ist es wichtig Ihren Kund*innen aufzuzeigen: Wir sind weiter für Sie da. Hierzu ist es notwendig Ihren Vertrieb an der ein oder anderen Stelle umzustrukturieren. Folgende Maßnahmen können dabei hilfreich sein:
- Online – Verlegen Sie Aktivitäten ins Netz: Schlagen Sie Ihren Kund*innen und Interessierten vor, dass geplante Termine online stattfinden. Alle Dokumente, Materialien, Präsentationen, die für die Akquise vorbereitet wurden, können so trotzdem genutzt werden und entsprechende Angebote ausgegeben.
- Video-Wirkung – So werden wir alle zu Schauspieler*innen, weil wir nun vor der Kamera sitzen und für unseren Gegenüber auf einem Bildschirm zu sehen sind. Wichtig: Unsere Verhaltensmuster müssen wir dieser neuen Situation anpassen. Üben Sie die ersten Gespräche daher mit Ihren Kolleg*innen und lassen Sie sich Feedback geben. Denn auch hier gilt: „Nobody is perfect.“
- Absprachen treffen – Manchmal möchten sich Kund*innen auch Ihre Leistungen für bspw. ein Projekt sichern, das aber voraussichtlich erst nach der Krise gestartet wird. Hier können Sie darüber verhandeln, ob ein Projekt gegebenenfalls auf Beraterseite bereits vorbereitet wird, um einen Wettbewerbsvorteil nach der Krise zu erzielen. Dies ist eine gute Gelegenheit Engagement zu beweisen.
- Marketingplanung – Unternehmensintern muss darüber nachgedacht werden, welche Marketing- und Akquisemaßnahmen in dieser Zeit und für die Zeit nach der Krise sinnvoll sind. Was steht als Nächstes an? Nutzen Sie die Zeit zur Vorbereitung, werfen Sie einen Blick auf vergangene Kampagnen und werten Sie (falls noch nicht geschehen) diese aus. Was können Sie für die Zukunft besser machen?
- Wettbewerb – Das Gute ist: Für alle gelten die gleichen Bedingungen. Auch der Wettbewerb muss diesen Weg gehen. Damit herrscht Chancengleichheit. Ein als wichtig eingestuftes persönliches Kennenlernen muss bei einer Erstakquise dann auf später verschoben werden.
Laufende Projekte
Wie soll man sich bei bereits laufenden Projekten verhalten? Lassen Sie stockende Projekte nicht sterben. Das schadet nämlich nicht nur zum entsprechenden Zeitpunkt, sondern auch im Nachhinein. Gehen Sie mit Verantwortungsbewusstsein sowie Verständnis auf den Kunden zu und erneuern Sie Ihre Vertrauensbasis. Dabei können Ihnen folgende Maßnahmen helfen:
- Halten Sie den aktuellen Projektstand fest, sodass zu einem späteren Zeitpunkt eine reibungslose Wiederaufnahme ermöglicht wird.
- Erarbeitung einer Priorisierung und von Vorgehensvorschlägen: Welche Aktivitäten sind noch vor Ort erforderlich? Welche können online erledigt werden?
- Stimmen Sie sich anschließend telefonisch oder via Messenger bspw. Skype, Teams etc. mit den Projektverantwortlichen ab: Welche Aktivitäten sind aus Kund*innen-Sicht vor Ort erforderlich und welche können/müssen online erledigt werden?
- Beschreiben Sie die gegenwärtige Situation und zeigen Sie auf, welche Vorzüge die weitere Zusammenarbeit und gegenseitiges Vertrauen bietet. Dabei lohnt es sich, einen Blick auf die Frage zu werfen: Wie wollen wir nach der Krise aufgestellt sein?
Unternehmenskultur
Nutzen Sie die Zeit für interne Maßnahmen, die darauf abzielen, eigene Prozesse zu überdenken und damit das Unternehmen selbst und die Mitarbeiter*innen weiterzuentwickeln. Viele Dinge und Aktionen, die in Zeiten von Vollauslastung vor sich hergeschoben wurden, können jetzt eingeplant und durchgeführt werden. Entscheider*innen sollten einen internen Prozess aufsetzen und eine Taskforce bilden, die die Möglichkeiten eruiert und Maßnahmen sammelt, bespricht, abstimmt und auf den Weg bringt. Dabei können folgende Maßnahmen in Frage kommen:
- Interne Projekte – Schließen Sie interne Projekte ab oder setzen Sie neue auf. Wenden Sie den Blick nach innen und optimieren Sie Ihre eigenen Abläufe. So finden auch diejenigen Mitarbeiter*innen und Themen Beachtung, die sonst überwiegend nur den Kund*innen zu Teil wird. Gleichzeitig können dadurch auch bspw. neue Referenzprozesse oder Leistungsverbesserungen erarbeitet werden, von denen auch Ihre Kund*innen zukünftig profitieren.
- IT und Sicherheit – Das Gleiche gilt für das eigene IT-Konzept und die IT-Landschaft. Sind die eigenen Systeme sowohl aus Sicht der Hardware und Software noch auf dem aktuellen Stand und damit auf der Höhe der Zeit? In dieser Zeit können sehr gut anstehende Releasewechsel und Upgrades oder sogar Neuanschaffungen getätigt werden. Natürlich mit dem Augenmerk: Wie weit ist Ihr Digitalisierungsgrad? Können diese Arbeiten Remote erfolgen?
- Weiterbildung – Immer mehr Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen stehen online zur Verfügung. Das Angebot an Online-Tutorials und E-Learnings nimmt immer stärker zu. Heute finden die Informationsgewinnung und der Wissenstransfer im Netz statt. Dies zeigen auch die einschlägigen Social Media Kanäle: Ist man beispielsweise bei LinkedIn oder XING aktiv, vergeht kein Tag, in dem man nicht eine Einladung zu einem Webinar oder zu einem Online-Tutorial erhält. Plattformen wie YouTube bieten zu fast jedem Thema Video-Material an. Somit besteht die Möglichkeit, sich online im Homeoffice fortzubilden oder sich in ein neues Thema einzuarbeiten.
Hier gilt es für Unternehmen und Führungskräfte: Fokus und Themenschwerpunkte mit den Mitarbeiter*innen zu erarbeiten, Prioritäten zu setzen und damit einen verbindlichen Charakter zu schaffen. Führen Sie Online-Umfragen durch, in denen Sie den Bedarf abfragen und legen Sie entsprechende Ziele fest. Auch ist darauf zu achten, dass bestimmte Angebote zunächst einen „kostenlosen“ Eindruck machen, sich aber spätestens bei der Anmeldung dann als kostenpflichtig entpuppen können oder Werbung für Produkte enthalten. Hier sollten Sie vorab gemeinsam Quellen festlegen.
Zusammenfassung und Ausblick
So einschneidend diese Zeit für viele Unternehmen der Dienstleistungsbranche ist, so hat sie doch positive Aspekte. Versuchen Sie die Krise als Chance zu begreifen. Krisen decken Defizite auf und machen deutlich, wo Handlungsbedarf im eigenen Unternehmen besteht. Alle Maßnahmen sollten getroffen werden, um die noch bestehenden Kunden- und Projektverbindungen weiterlaufen zu lassen. Handeln Sie lösungsorientiert und stellen Sie Ihren Vertrieb neu auf, indem Sie sich auf die Zeit nach Corona vorbereiten: Wo werden sich besonders große Defizite zeigen? Was wird danach dringend benötigt und für welches dieser Probleme bieten Sie eine entsprechende Lösung? Füllen Sie die Wissenslücken Ihrer Mitarbeiter*innen durch entsprechende e-Learnings und Online-Trainings. Denn nach der Krise ist vor dem Boom. Und darauf wollen wir alle vorbereitet sein.
Oliver Eggenstein